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Heinrich Federer (1866 - 1928)

aus: Umbrische Reisegeschichtlein

- Im Felsenstädtchen Narni

 

Das Städtchen ist klein. Ich kannte bald den Pfarrer dieser und jener Kirche, den frühesten Eisverkäufer, den lautesten Zeitungsjungen, den ältesten Bürger und den Laden, wo man für ein paar Soldi sozusagen alles und noch einiges kaufen konnte, vor allem ganz wunderbare Schuhschnüre.

Und haltbare Schuhschnüre sind etwas Wichtiges im Menschenleben. Wenn sie reißen, hält kein Schuh mehr, gibt es keinen richtigen Erdenschritt, ist alle Ordnung und Disziplin des Lebens zunichte. Aber Schnüre, gewichst und glänzend, wie die des Händlers Bornio, von seinem Burschen Vittorio dreimal durch die Tigerzähne gezogen, um ihre irdische Unverletzlichkeit darzutun, solche Schnüre geben dir einen festen Schritt und damit einen wahrhaft männlichen Charakter. Du fühlst dich groß, stark, einheitlich, du holst aus wie ein Riese, die Welt dünkt dich klein. Nichts ist dir unerreichbar. Du lachst. So eine Kleinigkeit wie Schuhschnüre! Aber ich sage dir, an dieser Kleinigkeit hängt der ganze Mensch.

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Textfeld: Mit den Worten der Dichter