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Henning Mankell (*1948)

aus: Das Auge des Leoparden (Roman, 1990)

 

Er sitzt unter dem Baum vor Joyce Lufumas Lehmhütte. Peggy und Marjorie sind losgegangen um Brennholz zu sammeln, die jüngeren Töchter holen Wasser. Joyce zerstößt Mais mit einem kräftigen Holzstock.
Entscheidend für die Zukunft Afrikas wird sein, was mit Afrikas Frauen geschieht, denkt er. Während die Männer in den Dörfern im Schatten der Bäume sitzen, arbeiten die Frauen auf dem Feld, gebären die Kinder, tragen fünfzig Kilo schwere Säcke mit Mais meilenweit auf ihren Köpfen. Meine Farm, deren Belegschaft hauptsächlich aus Männern besteht, ist kein getreues Abbild Afrikas.
Die afrikanischen Frauen tragen den Kontinent auf ihren Köpfen. Man glaubt, ein Bild von Stärke und Selbstbewußtsein vor sich zu haben, wenn man eine Frau mit einer solchen Last auf dem Kopf sieht, aber niemand bedenkt die Rückenleiden, die eine Folge dieser Lasten sind.

Joyce Lufuma ist vielleicht fünfunddreißig Jahre alt. Sie hat vier Töchter zur Welt gebracht, und noch reicht ihre Kraft, um Mais mit dem Stock zu zerstampfen. In ihrem Leben hat es niemals Raum zum Nachdenken gegeben, nur für die Arbeit, lebenserhaltende Arbeit. Vielleicht hat sie sich vage Hoffnungen gemacht, zwei ihrer Töchter könnten die Chance bekommen, ein anderes Leben zu führen.

Ihre Träume sind allein ihren Töchtern gewidmet.

Der Stock, der den Mais trifft, klingt wie ein Trommelschlegel. Afrika ist eine Frau, die Mais zerstößt, denkt er. Von diesem Punkt müssen alle Überlegungen über die Zukunft des Kontinents ausgehen.

 

Henning Mankell

Aus: Das Auge des Leoparden

In der Übersetzung aus dem Schwedischen von Paul Berf

© Paul Zsolnay Verlag, Wien 2004

Seite 4

Textfeld: Mit den Worten der Dichter