Lehrer der Zukunft


Ausbildung in Mozambique

Die gegenwärtige Situation an den Grundschulen in Mozambique ist kritisch. Weniger als 40% der Kinder im schulpflichtigen Alter werden eingeschult. Von jeweils 1000 Schulanfängern schaffen nur 77 Schüler die Abschlußprüfungen der 5. Klasse.

Der Unterricht in den öffentlichen Schulen ist häufig schlecht. Die üblichste Lehrmethode ist, daß der Lehrer etwas vorsagt, und die Schüler es im Chor wiederholen. Die Lehrer haben keine demokratischen Unterrichtsmethoden kennengelernt, sie wissen kaum etwas über die moderne Welt und es steht ihnen nur wenig Material zur Verfügung. Ihre eigene Ausbildung ist meist ziemlich kurz gewesen, Theorie und Praxis sind nicht miteinander verknüpft worden. Außerdem herrscht Mangel an Lehrern und sie bekommen sehr niedrige Löhne.

Eine Veränderung dieser Situation ist von grundlegender Bedeutung für die menschliche und die wirtschaftliche Entwicklung von Mozambique. Deshalb hat ADPP Schulen eingerichtet für die Ausbildung von Grundschullehrern. Die erste Ausbildungsstätte wurde im August 1993 in Maputo eröffnet, die zweite 1995 in Nhamatanda.

Ein Lehrer spielt in der dörflichen Gemeinschaft eine wichtige Rolle, weil er sich neben dem Unterricht in der Schule für die Entwicklung des Dorfes einsetzen und zu einem lebendigen Wechselspiel zwischen Schule und Dorfgemeinschaft beitragen kann. Die Lehrer-Ausbildung zielt darauf ab, Lehrer auszubilden, die willens und fähig sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen.

Während ihrer zweieinhalbjährigen Ausbildung machen sich die zukünftigen Lehrer mit modernen Unterrichtsmethoden vertraut, sie üben sich in Konfliktlösung, entwickeln Programme für die Friedenserziehung und führen Aufklärungskampagnen durch. Gleichzeitig vertiefen sie ihr Wissen über Menschen in anderen Ländern der Welt und entwickeln ihr Verständnis für die Probleme und Möglichkeiten ihres Landes im aktuellen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wandel.

Die Studenten leben und arbeiten in einer hoffnungsfrohen Umgebung. Die Ausbildung ist so zurechtgelegt, daß sie immer die Verbindung zwischen ihrem zukünftigen Beruf als Lehrer und ihrer Rolle als Führungskraft in der örtlichen Gemeinschaft sehen können. Darum sehen sie der Zukunft motiviert und zuversichtlich entgegen und übernehmen gerne Verantwortung für die Entwicklung in ihrem Land.

Während der Ausbildung spezialisieren sich die Studenten auf zwei von drei Grundschulfächern: sie wählen zwischen Portugiesisch, Mathematik und Biologie. Sie entwickeln Methoden, wie sie ihr eigenes Unterrichtsmaterial aus billigen, verfügbaren Materialien herstellen können und sind darauf vorbereitet, dieses Wissen mit ihren zukünftigen Kollegen zu teilen. Sie machen eine Untersuchung über die Lebensbedingungen, diskutieren die Probleme und entwickeln Lösungsansätze.

Nach 1 1/2 Jahren Ausbildung an der Schule ziehen die Studenten für ein Jahr in ihre Heimatprovinzen, wo sie unterrichten, studieren und sozial arbeiten. Dabei werden sie betreut, so daß die Leiter der Lehrerausbildung ihre Erfolge beurteilen können. Im Anschluß an dieses Jahr werden die Abschlußprüfungen abgelegt.

Auf dem Lande bauen die Auszubildenden gemeinsam mit Schülern und Eltern Latrinen, richten Vorschulklassen ein und Abendkurse für Erwachsene, machen Nähkurse für Mütter und öffnen die Schulen für die Bevölkerung. Im täglichen Unterricht beziehen sie die nächste Umgebung mit ein, wenn sie die Schüler über Krankheiten aufklären, und sie bringen den Kindern lesen und schreiben bei, selbst wenn die elementarste Ausrüstung fehlt. Unter den Baobab-Bäumen diskutieren sie mit den Kindern und berichten ihnen über die Welt in der sie leben. Häufig überwinden sie die schlechten Lebensbedingungen indem sie ihr Wohnhaus selbst bauen.

Das Konzept dieser Lehrer-Ausbildung wurde in Übereinstimmung mit dem Gesamtlehrplan des mozambikanischen Erziehungsministeriums entwickelt. Die Ausbildungsstätten halten engen Kontakt mit den Behörden in den Heimatprovinzen der Auszubildenden.

Die Arbeit wird von verschiedenen Sponsoren unterstützt. Die Auszubildenden beteiligen sich durch ein Schulgeld an den laufenden Kosten.

Ein wesentlicher Teil des Geldes stammt aus dem Verkauf von Second-Hand-Kleidung, die in den HUMANA Kleidercontainern in Europa eingesammelt wird.


Kurz vorgestellt:
Zwei angehende Dorfschullehrer

Isabel Fernando Cossa wurde am 25. März 1971 in Maputo geboren. Der Vater ist Elektrotechniker, die Mutter Hausfrau, und sie hat sieben Geschwister. Sie hat die 9. Klasse 1992 abgeschlossen, und zwar an der Escola Secundária von Lhanguene. Das schönste an ihrer Kindheit war das Zusammenleben mit ihren Eltern, aber weil die sich nicht gut verstanden haben, trennten sie sich, was ihr schlimmstes Erlebnis war. Bevor sie an diese Schule kam, hat sie in Langhuene studiert. Die Lehrer-Ausbildung der ADPP macht jeden Einzelnen handlungsfähiger und kreativer, und Isabel denkt, daß sie jetzt besser mit Menschen umgehen kann, was auch die wichtigsten Merkmale dieser Ausbildung sind. Sie hat gelernt, vor vielen Menschen frei zu sprechen, was sie vorher nicht konnte. In 10 Jahren will sie weiterhin Lehrerin sein und dabei weiter studieren. Américo António Inloha ist 26 Jahre alt. Er stammt aus Morilo im Distrikt Murrupula in der Provinz Nampula. Seine Eltern sind tot, er hat fünf Geschwister. Er hat die 9. Klasse 1991 in Ribáwè abgeschlossen. Seine Kindheit war überschattet vom Unfall seines Vaters und zweier seiner Geschwister. Der Teamgeist, sowohl bei der Schulleitung als auch bei den Lehrern, ist das wichtigste Merkmal der ADPP Lehrer-Ausbildung. Die neuen Unterrichtsmethoden haben auch sein eigenes Lernen geprägt und ihm die Arbeit erleichtert. In 10 Jahren möchte er gerne an der pädagogischen Universität weiterstudieren, weil das ein großer Traum von ihm ist.


Linos Referendariat
Eine Geschichte aus dem wirklichen Leben

Geschrieben von der amerikanischen Schulleiterin der Lehrerausbildungsstätte in Nhamatanda, Amy Sosnowski, im Frühsommer 2002

Als Teil ihrer Ausbildung an unserem Seminar absolvieren die Studierenden ein einjähriges Refendariat auf dem Land. Während dieser Zeit sind sie von der Regierung angestellt und haben volle Verantwortung und Gehalt für ein oder zwei Klassen, je nach Bedarf. Da sie noch in der Ausbildung sind, haben sie nebenher Fernstudien die sie ausfüllen und zur Korrektur an uns schicken sollen. Zwei mal während dieses Jahres, wenn die Grundschulen Ferien haben, legen die Studierenden Examen ab. Darüber hinaus besuchen wir sie ein- oder zweimal im Verlauf des Jahres, um ihren Unterricht zu beobachten und sicherzustellen dass sie alle Anforderungen erfüllen, und wir helfen ihnen so weit möglich eventuelle Probleme zu lösen.

Derzeit sind wir dabei, die Studierenden zu besuchen und ihnen das Geld zu übergeben das sie brauchen werden um Ende Juni während der Grundschulferien zur Schule zu kommen. Ich entschloss mich dazu, den Tagesbetrieb der Lehrerausbildungsstätte in die Hände meines Mit-Direktors Antoni zu legen und Francisco, den für die Supervision zuständigen Lehrer auf seiner dreitägigen Reise nach Buzi und Machanga zu begleiten. Hauptziel der Reise war Machanga, einer der Distrikte, die von den Überschwemmungen in den Jahren 2000 und 2001 arg mitgenommen worden sind, jetzt aber eine katastrophale Dürre mit daraus resultierendem Verlust von beinahe der kompletten Ernte durch machen. Die dortige Situation ist eine Geschichte für sich; hier möchte ich Ihnen von Lino erzählen, der im Gebiet Chissinguana im Distrikt Buzi als Referendar arbeitet.

Schon vor einigen Monaten hatte ein anderer Lehrer eine Supervisionsreise nach Buzi unternommen, war aber nicht bis zu Lino vorgedrungen, weil die Straße vom Zentrum des Distrikts nach Chissinguana nicht mit Autos befahren werden kann und es zu diesem Zeitpunkt keine Traktoren gab, die die Strecke machten. Wir fuhren deshalb nicht über die Hauptstraße im Zentrum, an der die Büros der Stadt liegen, sondern die andere Strecke, die etwa 300 km vom Zentrum des Distrikts entfernt ist. Als wir Linos Schule erreichten, kamen alle Kinder angerannt, sie rannten dem Auto entgegen und wollten sehen, wer da kam, denn in dieser Gegend sind Autos selten, und „muzungos“ – weiße Menschen – sind noch seltener. Durch unsere Ankunft wurde es unmöglich, den Rest der Unterrichtsstunde abzuhalten. Die Kinder waren einfach zu aufgeregt um sich konzentrieren zu können. Außerdem mussten wir ihren Lehrer sprechen, und zu diesem Zeitpunkt war er der einzige Lehrer an der Schule.

Die Grundschule von Chidacadje bietet Unterricht von der ersten bis vierten Klasse. Sie hat 358 Schüler, davon allein 110 in der ersten Klasse. Es gibt zwei Lehrer an der Schule, der eine ist der Direktor, der andere ist Lino, unser Referendar. Morgens unterrichtet Lino die Erstklässler während Calisto, der Direktor, die vierte Klasse unterrichtet. Calisto ist übrigens auch Absolvent unserer Schule, er war im Jahrgang `97. Nachmittags unterrichtet Lino die zweite und Calisto die dritte Klasse. In ganz Mosambik ist es wegen dem extremen Lehrermangel üblich, dass die Schüler nur halbtags unterrichtet werden, statt wie andernorts auf der Welt von 8 bis 15 Uhr. Auf diese Weise kann jeder Lehrer zwei Klassen unterrichten.

An dem Tag unseres Besuches hatte Calisto jedoch zu seinen Feldern gehen müssen, und so war Lino allein mit den 358 Schülern während der zwei Tage in denen Calisto weg war. Und als ob das Unterrichten von 350 Schülern nicht schon genug Herausforderung darstellt hatte er zusätzliche Sorgen. Seit seinem Arbeitsbeginn als Referendar im Januar hatte er noch keinen Lohn bekommen. Nun ist in Mosambik der Lohn für neu eingestellte Lehrer immer verspätet, normalerweise wird er im April oder Mai ausgezahlt, insoweit hatte er das erwartet. Jetzt hatte er zwar erfahren, dass das Geld durch den Distrikt ausgezahlt werden würde, aber wann es seine Schule erreichen würde und ob der volle Betrag ankommen würde, war noch ungewiss. Zusätzlich gibt es ernsthaften Wassermangel in seinem Gebiet. Vor einigen Jahren war ein Brunnen gegraben worden, aber als die Pumpe von der Stadt hertransportiert wurde, trocknete er plötzlich aus. Es gibt keine natürliche Wasserquelle in der Nähe, also ist die einzige Möglichkeit für Lino um an Wasser zu kommen zum trinken, kochen, baden, Wäsche waschen etc. sich ein Fahrrad auszuleihen und die fünf Kilometer zum nächsten Ort zu fahren, wo es einen Brunnen gibt, der Wasser hat. Selbst wenn Calisto, der andere Lehrer, anwesend ist, gibt es dafür nur wenig Zeit. Er muss seine Pause zum Wasserholen verwenden, von 11:45 bis 13:30. Das Problem ist, dass er diese Zeit eigentlich nutzt, um den Unterricht vorzubereiten, Unterrichtsmaterialien herzustellen und die Berichte und Aufgaben für seine eigene Ausbildung zu erledigen. Es gibt keinen Strom in der Gegend, und da er seinen Lohn noch nicht bekommen hat, hat er kein Geld um sich Petroleum zu kaufen für seine Laterne. Dadurch kann er nach Anbruch der Dunkelheit so gut wie keine Arbeit mehr erledigen.

Von seinen täglichen Arbeiten möchte ich besonders das Herstellen von Unterrichtsmaterialien hervorheben. Dies ist eine wichtige Sache – die meisten Schulen in Mosambik haben keine Unterrichtsmaterialien, viele haben nicht einmal Tische. Die Schulbücher bieten begrenzte Information und wir bringen unseren Lehrern bei, die Texte durch Landkarten, Plakate, Exkursionen und Spiele zu bereichern und zu verstärken. An Linos Schule gab es nicht einmal eine Karte von Mosambik bevor er kam. Er zeichnete eine auf etliche Stücke farbiges Papier, das er zusammenklebte und oben und unten durch Stöcke stabilisierte. Außerdem hat er das Gras im Schulhof an einer Stelle in der Form von Mosambik geschnitten, um den Schülern eine Vorstellung von der Größe und Form ihres Landes zu vermitteln. Sie haben keine Vorstellung von der Welt und den vielen Ländern in der Welt.

Angesichts der täglichen Schwierigkeiten, denen der 22jährige Lino zu begegnen hat, bekam ich ein noch tieferes Verständnis von den Herausforderungen, die unsere Schüler meistern müssen. Francisco, der Lehrer der mich begleitete, sah dass ich anfing sentimental zu werden und fragte mich warum. Ich erklärte ihm dass ich wieder einmal überwältigt sei vom Durchhaltevermögen der Menschen in Mosambik. Er lachte und erzählte mir wie es für Calisto gewesen war. Als Calisto im Januar 1999 nach Buzi kam um als Referendar zu arbeiten, gab es keine Schule. Es wurde ihm aufgetragen, eine einzurichten, gemeinsam mit einem weiteren Referendar von unserer Schule, der inzwischen neue Aufgaben übernommen hat. Ihre erste Aufgabe war, eine Hütte für sich selbst aus Lehm und Gras zu bauen. Dann besuchten sie alle Haushalte in der Umgebung um Schüler für ihre neue Schule zu finden. In dieser Schule gab es zunächst nur die erste Klasse, der Unterricht fand unter zwei sehr großen Mangobäumen statt, die reichlich Schatten und spärlichen Schutz vor Regen spenden. Im zweiten Jahr wurde dann die Lutheran World Foundation um Mittel gebeten, sie willigten ein, und so konnte das heutige Schulhaus mit seinen zwei Klassenräumen gebaut werden.

Diese Erfahrung brachte mir einmal mehr zu Bewusstsein, wie wichtig es ist, Lehrer auszubilden, die bereit sind und in der Lage sind, sich den besonderen Schwierigkeiten auf dem Land zu stellen, und das Beste aus den gegebenen Umständen zu machen.



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