Vom Neuling zum guten Nachbarn von nebenan

Björn Surborg, der in Langenhagen bei Hannover aufgewachsen ist, hat an dem einjährigen Programm als Solidaritätsarbeiter bei Humana People to People teilgenommen. In diesem Artikel berichtet er über persönliche Erfahrungen, geschichtlichen Hintergrund des Landes und das finanzielle Rückgrat der Projekte in Afrika.

"Thank you, thank you", bedankt sich ein älterer Mann mit ausgetretenen Schuhen, einer Jacke mit der Aufschrift "Oslo-Taxi" und einem Strohhut, dem der oberste Teil fehlt, so daß er den Zweck eines Hutes eigentlich nicht mehr erfüllt. Der Herr, der sein Leben lang keine Möglichkeit gehabt hat, Englisch zu lernen, und nun die einzigen Wörter, die er kannte, benutzt hat, ist zum Verkaufstag von Second-Hand-Kleidung in Ogongo im nördlichen Namibia gekommen. Development Aid from People to People (DAPP) organisiert diese Verkaufstage monatlich in kleineren Orten der schwach entwickelten Region, wo die Menschen sonst keine Möglichkeit haben, preiswerte Kleidung zu erhalten. Die Kleidung wird zu einem erschwinglichen Preis verkauft, was - im Gegensatz zum Spenden oder Verschenken - auch dazu führt, daß in der Kleidung ein höherer Wert gesehen wird, und daß sie entsprechend behandelt wird. DAPP finanziert durch die Gewinne ihre Sozial-, Umwelt- und Bildungsprojekte. Für die Spender von Altkleidern, die Kunden in HUMANA-Geschäften in Europa und die Käufer in Afrika ist dieser Prozess sicherlich sehr abstrakt - sichtbar und notwendig ist er aber für die Menschen, denen die Projekte zugute kommen: die durch die Spenden einen Schulbesuch ermöglicht bekommen, die ihre Kinder in einen der DAPP Kindergärten schicken können oder die einen Arbeitsplatz gefunden haben.

Durch das Solidaritätsarbeiter-Programm der Hilfsorganisation ist es mir ermöglicht worden, selbst aktiv an der Entwicklungszusammenarbeit mitzuwirken, und zwar an der Berufsschule in der Nähe von Ombalantu, in der Omusati Region. In der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia herrschte bis zur Unabhängigkeit 1990 Apartheid, eingeführt und überwacht von der Besatzungsmacht Südafrika. Ausreichende Bildung zu erhalten war der schwarzen Bevölkerung fast unmöglich - formal schon gar nicht. Eine Spätfolge des Kolonialismus, die bis heute die Entwicklung geradezu lähmt.
Die DAPP Berufsschule im bevölkerungsreichen Norden ist im Umkreis von 80 Kilometern die einzige Möglichkeit, eine weiterführende Bildung zu erhalten. Die einjährige Ausbildung in der 'Business and Secretarial Studies' und in der 'Building Construction' Klasse gibt den Schülern die Chance einen Job - oft einen festen Job - zu bekommen, und so die Familie zu unterstützen. Dies ist ein für das Sozialsystem wichtiger Aspekt, da die Familie das soziale Netz bildet, und die Größe der Felder oft nicht mehr ausreicht, um die gesamte Familie zu ernähren. Die Schule wurde 1991 gegründet und hat 31 Schüler, die dort auch wohnen, und 7 Lehrer/Mitarbeiter. Mir war zunächst unklar, was meine Rolle dort sein sollte. Es gibt zwar in Namibia noch keine Einrichtung zur Berufsschullehrerausbildung, und daher ist der Mangel an qualifizierten Lehrern groß - aber was würde ich in dieser Situation beisteuern können? Ich habe doch auch keine Ausbildung als Berufsschullehrer absolviert! ...
Als junger Europäer im Norden Namibias als Lehrer zu arbeiten, ist nicht immer einfach. Ich bin auf eine geradezu verschlossene Schülerschaft gestoßen, deren Vertrauen ich erst mühevoll gewinnen mußte. ...

Neue Lehrmethoden mußte ich behutsam einführen. (zB was für welche und wie) Was die Arbeit jedoch, trotz des erforderlichen Einsatzes, so angenehm macht, ist die sichtbare Entwicklung: die fachliche Verbesserung der Schüler, ein gesteigertes Selbstbewußtsein der Lernenden und das Vertrauen gegenüber dem neuen Lehrer aus Europa. Langsam wurde ich vom Neuling zum guten Nachbarn von nebenan.

Björn Surborg.

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