Grüße vom Schulzentrum in Nhamatanda, Mozambique



Amy Sosnowski, Leiterin der Lehrerausbildungsstätte

Liebe Freunde in Deutschland!
Viele Grüße aus Nhamatanda. Wir haben gehört, daß Jörg dabei ist, sich auf seinen Einsatz hier vorzubereiten, und freuen uns sehr darauf, mit ihm zusammen zu arbeiten. Bitte tut was Ihr könnt um weitere Auslandsfreiwillige zu finden, sie helfen sehr.
Ihr habt uns um 'Geschichten aus dem wirklichen Leben' gebeten, deshalb hier die Geschichte von Lino's Referendariat in Buzi. Sie zeigt ganz deutlich, wie wichtig es ist, Dorfschullehrer auszubilden, und welchen Herausforderungen sie gewachsen sein müssen.
Ansonsten haben wir alle Hände voll zu tun mit den Vorbereitungen auf das neue Schuljahr im Januar. Die Berufsschule hat sich entschlossen, einen großen Schritt vorwärts zu tun - statt den bisher einjährigen Kursen mit dem Abschluss 'Tecnico Elementar' wollen sie jetzt zweijährige Kurse mit dem Abschluss 'Tecnico Basico' anbieten. Gleichzeitig soll die Frauenquote weiter erhöht werden. Das bedeutet Verbesserungen an Gebäuden und Einrichtung, neue Lehrer und ein ganz neuer Lehrplan... ganz abgesehen von der Frage, wo das Geld für diese Umstellung herkommen soll...
Wir hoffen, dass Ihr Linos Geschichte gerne lesen werdet.
Amy und Emilio, Schulleiter


Linos Referendariat
Eine Geschichte aus dem wirklichen Leben

Geschrieben von der amerikanischen Schulleiterin der Lehrerausbildungsstätte in Nhamatanda, Amy Sosnowski, im Frühsommer 2002

Als Teil ihrer Ausbildung an unserem Seminar absolvieren die Studierenden ein einjähriges Refendariat auf dem Land. Während dieser Zeit sind sie von der Regierung angestellt und haben volle Verantwortung und Gehalt für ein oder zwei Klassen, je nach Bedarf. Da sie noch in der Ausbildung sind, haben sie nebenher Fernstudien die sie ausfüllen und zur Korrektur an uns schicken sollen. Zwei mal während dieses Jahres, wenn die Grundschulen Ferien haben, legen die Studierenden Examen ab. Darüber hinaus besuchen wir sie ein- oder zweimal im Verlauf des Jahres, um ihren Unterricht zu beobachten und sicherzustellen dass sie alle Anforderungen erfüllen, und wir helfen ihnen so weit möglich eventuelle Probleme zu lösen.

Derzeit sind wir dabei, die Studierenden zu besuchen und ihnen das Geld zu übergeben das sie brauchen werden um Ende Juni während der Grundschulferien zur Schule zu kommen. Ich entschloss mich dazu, den Tagesbetrieb der Lehrerausbildungsstätte in die Hände meines Mit-Direktors Antoni zu legen und Francisco, den für die Supervision zuständigen Lehrer auf seiner dreitägigen Reise nach Buzi und Machanga zu begleiten. Hauptziel der Reise war Machanga, einer der Distrikte, die von den Überschwemmungen in den Jahren 2000 und 2001 arg mitgenommen worden sind, jetzt aber eine katastrophale Dürre mit daraus resultierendem Verlust von beinahe der kompletten Ernte durch machen. Die dortige Situation ist eine Geschichte für sich; hier möchte ich Ihnen von Lino erzählen, der im Gebiet Chissinguana im Distrikt Buzi als Referendar arbeitet.

Schon vor einigen Monaten hatte ein anderer Lehrer eine Supervisionsreise nach Buzi unternommen, war aber nicht bis zu Lino vorgedrungen, weil die Straße vom Zentrum des Distrikts nach Chissinguana nicht mit Autos befahren werden kann und es zu diesem Zeitpunkt keine Traktoren gab, die die Strecke machten. Wir fuhren deshalb nicht über die Hauptstraße im Zentrum, an der die Büros der Stadt liegen, sondern die andere Strecke, die etwa 300 km vom Zentrum des Distrikts entfernt ist. Als wir Linos Schule erreichten, kamen alle Kinder angerannt, sie rannten dem Auto entgegen und wollten sehen, wer da kam, denn in dieser Gegend sind Autos selten, und „muzungos“ – weiße Menschen – sind noch seltener. Durch unsere Ankunft wurde es unmöglich, den Rest der Unterrichtsstunde abzuhalten. Die Kinder waren einfach zu aufgeregt um sich konzentrieren zu können. Außerdem mussten wir ihren Lehrer sprechen, und zu diesem Zeitpunkt war er der einzige Lehrer an der Schule.

Die Grundschule von Chidacadje bietet Unterricht von der ersten bis vierten Klasse. Sie hat 358 Schüler, davon allein 110 in der ersten Klasse. Es gibt zwei Lehrer an der Schule, der eine ist der Direktor, der andere ist Lino, unser Referendar. Morgens unterrichtet Lino die Erstklässler während Calisto, der Direktor, die vierte Klasse unterrichtet. Calisto ist übrigens auch Absolvent unserer Schule, er war im Jahrgang `97. Nachmittags unterrichtet Lino die zweite und Calisto die dritte Klasse. In ganz Mosambik ist es wegen dem extremen Lehrermangel üblich, dass die Schüler nur halbtags unterrichtet werden, statt wie andernorts auf der Welt von 8 bis 15 Uhr. Auf diese Weise kann jeder Lehrer zwei Klassen unterrichten.

An dem Tag unseres Besuches hatte Calisto jedoch zu seinen Feldern gehen müssen, und so war Lino allein mit den 358 Schülern während der zwei Tage in denen Calisto weg war. Und als ob das Unterrichten von 350 Schülern nicht schon genug Herausforderung darstellt hatte er zusätzliche Sorgen. Seit seinem Arbeitsbeginn als Referendar im Januar hatte er noch keinen Lohn bekommen. Nun ist in Mosambik der Lohn für neu eingestellte Lehrer immer verspätet, normalerweise wird er im April oder Mai ausgezahlt, insoweit hatte er das erwartet. Jetzt hatte er zwar erfahren, dass das Geld durch den Distrikt ausgezahlt werden würde, aber wann es seine Schule erreichen würde und ob der volle Betrag ankommen würde, war noch ungewiss. Zusätzlich gibt es ernsthaften Wassermangel in seinem Gebiet. Vor einigen Jahren war ein Brunnen gegraben worden, aber als die Pumpe von der Stadt hertransportiert wurde, trocknete er plötzlich aus. Es gibt keine natürliche Wasserquelle in der Nähe, also ist die einzige Möglichkeit für Lino um an Wasser zu kommen zum trinken, kochen, baden, Wäsche waschen etc. sich ein Fahrrad auszuleihen und die fünf Kilometer zum nächsten Ort zu fahren, wo es einen Brunnen gibt, der Wasser hat. Selbst wenn Calisto, der andere Lehrer, anwesend ist, gibt es dafür nur wenig Zeit. Er muss seine Pause zum Wasserholen verwenden, von 11:45 bis 13:30. Das Problem ist, dass er diese Zeit eigentlich nutzt, um den Unterricht vorzubereiten, Unterrichtsmaterialien herzustellen und die Berichte und Aufgaben für seine eigene Ausbildung zu erledigen. Es gibt keinen Strom in der Gegend, und da er seinen Lohn noch nicht bekommen hat, hat er kein Geld um sich Petroleum zu kaufen für seine Laterne. Dadurch kann er nach Anbruch der Dunkelheit so gut wie keine Arbeit mehr erledigen.

Von seinen täglichen Arbeiten möchte ich besonders das Herstellen von Unterrichtsmaterialien hervorheben. Dies ist eine wichtige Sache – die meisten Schulen in Mosambik haben keine Unterrichtsmaterialien, viele haben nicht einmal Tische. Die Schulbücher bieten begrenzte Information und wir bringen unseren Lehrern bei, die Texte durch Landkarten, Plakate, Exkursionen und Spiele zu bereichern und zu verstärken. An Linos Schule gab es nicht einmal eine Karte von Mosambik bevor er kam. Er zeichnete eine auf etliche Stücke farbiges Papier, das er zusammenklebte und oben und unten durch Stöcke stabilisierte. Außerdem hat er das Gras im Schulhof an einer Stelle in der Form von Mosambik geschnitten, um den Schülern eine Vorstellung von der Größe und Form ihres Landes zu vermitteln. Sie haben keine Vorstellung von der Welt und den vielen Ländern in der Welt.

Angesichts der täglichen Schwierigkeiten, denen der 22jährige Lino zu begegnen hat, bekam ich ein noch tieferes Verständnis von den Herausforderungen, die unsere Schüler meistern müssen. Francisco, der Lehrer der mich begleitete, sah dass ich anfing sentimental zu werden und fragte mich warum. Ich erklärte ihm dass ich wieder einmal überwältigt sei vom Durchhaltevermögen der Menschen in Mosambik. Er lachte und erzählte mir wie es für Calisto gewesen war. Als Calisto im Januar 1999 nach Buzi kam um als Referendar zu arbeiten, gab es keine Schule. Es wurde ihm aufgetragen, eine einzurichten, gemeinsam mit einem weiteren Referendar von unserer Schule, der inzwischen neue Aufgaben übernommen hat. Ihre erste Aufgabe war, eine Hütte für sich selbst aus Lehm und Gras zu bauen. Dann besuchten sie alle Haushalte in der Umgebung um Schüler für ihre neue Schule zu finden. In dieser Schule gab es zunächst nur die erste Klasse, der Unterricht fand unter zwei sehr großen Mangobäumen statt, die reichlich Schatten und spärlichen Schutz vor Regen spenden. Im zweiten Jahr wurde dann die Lutheran World Foundation um Mittel gebeten, sie willigten ein, und so konnte das heutige Schulhaus mit seinen zwei Klassenräumen gebaut werden.

Diese Erfahrung brachte mir einmal mehr zu Bewusstsein, wie wichtig es ist, Lehrer auszubilden, die bereit sind und in der Lage sind, sich den besonderen Schwierigkeiten auf dem Land zu stellen, und das Beste aus den gegebenen Umständen zu machen.


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