Aus den Briefen von Susanne - 1

Sie können kaum ihre eigenen Kinder ernähren








Seit meiner Ankunft in Guinea-Bissau sammelte ich Informationen über die allgemeine Lage im Land, um mir darüber klar zu werden, welches der wichtigste Arbeitsbereich bei Child Aid Project ist, in dem ich mitarbeiten kann.
Gemeinsam mit Alfa begann ich innerhalb des Familienprogrammes die allgemeine Situation von Familien und speziell von Kindern im ländlichen Raum zu analysieren und statistisch zu erfassen.
Gemeinsam mit Mitarbeitern des Roten Kreuzes und der lokalen Gesundheitszentren arbeiteten wir außerdem bei der Malaria-Kampagne. Da ein Mitarbeiter des Bissora-Hospitals damit beschäftigt war, den Kindern in den Dörfern Vitamine zu verabreichen, bekam ich gleichzeitig die Gelegenheit, mit vielen Frauen, die Ihre Kinder zur Injektion brachten, ins Gespräch zu kommen und den allgemeinen Gesundheits- und Ernährungszustand ihrer Kinder einzuschätzen und statistisch zu erfassen.

Ein Ergebnis dieser Recherchen ist die Klarheit über die dringend notwendige Einrichtung eines Waisen-Hilfsprojekts in Guinea-Bissau. Auch behinderte Kinder, die von ihren Eltern oft in andere Familien gegeben werden, müssen quasi „als Waisen gezählt” werden.
Unabhängig voneinander haben verschiedene Hilfsorganisationen diese Notlage erkannt. Ein Mitarbeiter des Mansoa-Rot Kreuz bat mich um Unterstützung beim Aufbau eines Projekts für Waisen und behinderte Kinder. Auch Artimisa - die Projektleiterin bei ADPP - erzählte mir von ihren Bemühungen, finanzielle Mittel für ein Waisenprojekt zu beschaffen. Dies alles zeigt deutlich die Dringlichkeit, sobald wie möglich mit der Projektarbeit für Waisenkinder zu beginnen.
Ich werde meine Statistik weiter vervollständigen - habe ein entsprechendes Formular dafür vorbereitet. Ich denke, man muß mit mindestens 5-10 % Waisen im Land rechnen.
Diese Kinder sind nicht immer leicht zu finden, weil manche „irgendwie” in anderen Familien leben. Aber diese Familien sind - wie die meisten Menschen hier - von der Armut betroffen. Sie können kaum ihre eigenen Kinder ernähren und haben keine Möglichkeit, die Waisen mit der nötigen Ernährung, Bekleidung und Schulbildung zu versorgen.
Die Waisen haben alle Zeichen der Unterernährung, Hautkrankheiten und andere Gesundheitsprobleme, keine Kleidung, und natürlich gehen sie nicht zur Schule. Sie überleben irgendwie bis sie krank werden und aufgrund der fehlenden medizinischen Versorgung vielleicht sterben.
Ich vermute, dass viele von ihnen „HIV/AIDS-Waisen” sind, und niemand weiß, wie viele von ihnen auch HIV-positiv sind. Man hat mir erzählt, dass „HIV-Waisen” aus Bissau und größeren Dörfern in ländliche Gegenden „verschickt” werden, weil sich niemand traut, diese Kinder zu pflegen. Man kann sich vorstellen, wie schlecht die Situation besonders für diese Kinder ist.

Nachdem wir diese Probleme besprochen hatten, kamen wir zum folgenden Plan:
Es ist notwendig, sobald wie möglich mit einem Waisenprogramm zu beginnen.
Die nötigen Schritte dazu müssen wir entsprechend der finanziellen Situation ordnen.
Zum Anfang können wir erstmal das ADPP-Kinderhilfshaus benutzen, um den Waisen die Möglichkeit zu geben, zur Schule zu gehen und wenigstens Frühstück und eine weitere Mahlzeit pro Tag zu bekommen. Vorerst werden sie noch bei den Familien bleiben, die sich bisher um sie gekümmert haben. Sobald wie möglich werden wir ein Wohnhaus für die Waisen zur Verfügung stellen. Dann sollten sie mit Pflegeeltern wie in einer Familie leben.
Die älteren sollten eine berufliche Ausbildung erhalten, um Fähigkeiten (Nähen, Landwirtschaft etc.) zu erlernen, die es ihnen ermöglichen, in Zukunft für sich selbst zu sorgen.
Wir sollten dabei eng mit der Gemeinde kooperieren, um deren Unterstützung zu bekommen.
Auf lange Sicht sollte das Projekt möglichst finanziell unabhängig werden.
Mit unserem Gemüsegarten und dem eigenen Vieh können wir uns dann selbst versorgen. Außerdem können wir gemeinsam mit der „Waisen-Berufsschule” Einkommen erzeugen (durch Landwirtschaft, Kleider nähen, Arbeit im öffentlichen Straßenbau, Englischkurse, Schreibarbeiten, PC-Service u.s.w..
Wenn wir eine gute Bildungsmöglichkeit bieten, könnten wir in der Waisenschule auch Kinder unterrichten, deren Eltern in der Lage sind höhere Schulgebühren zu bezahlen. Auch diese Einnahmen würden der Projektfinanzierung dienen.

Um EU-Gelder zu bekommen haben wir bei einem Meeting im Gesundheitszentrum in Bissau unseren Projektplan vorgestellt, und unsere Chancen stehen gut, eine große Spende zu bekommen.
Am Sonntag will ich den Projektplan fertig haben und Montag die Statistiken fortsetzen.
Wir müssen alle Papiere bis zum 10. Januar vorlegen.
Ich werde Euch regelmäßig über den aktuellen Stand informieren.
Grüße und alles Gute für 2004 für Euch!

Susanne